Intermediäre Organisationen in der Stadtentwicklung
Möglichkeitsräume für kollektives Lernen und Demokratieentwicklung. (= Schriftenreihe des europäischen Masterstudiengangs Gemeinwesenentwicklung, Quartiersmanagement und Lokale Ökonomie, Bd. 4) AG SPAK, München
Der Ansatz der Lernenden Organisation lässt auf Stadt(teil-)entwicklungsprozesse übertragen. Es müssen dafür lediglich die entsprechenden Lern- und Kommunikationsräume geschaffen werden. Die konsequente Anwendung des organisationalen Lernens hat gezeigt, dass ein grundlegender Paradigmenwechsel sowohl auf Ebene der Stadtplanung als auch innerhalb der intermediären Organisationen notwendig ist, um dem Anspruch auf Mitgestaltung und kooperativer Entwicklung gerecht werden zu können.
Das Buch beleuchtet das Zusammenspiel von individuellen und kollektiven Lernprozesse. Das bis dato unhinterfragte Ziel gemeinsamen Entwickelns und Planens muss überdacht werden und Raum sowohl für individuelles als auch für kooperatives Erfahren geschaffen werden, der auch Platz für Rückkoppelungsschleifen in den Abläufen einplant. Vor dem Hintergrund, dass nicht jedes Problem im Kollektiv gelöst werden kann, drängt sich die Frage auf, wer in Zukunft die Schnittstellenkommunikation übernimmt. Die Kommunikation zwischen den Teilsystemen Zivilgesellschaft, Staat und Markt verlangt nämlich eine aktivere Haltung als die der reinen Moderation.
Stadtentwicklung lernen
Rezension von Christian M. Peer in: dérive Zeitschrift für Stadtforschung Nr. 29 Oktober-Dezember 2007, Seite 61
Die Förderung von Innovationsbereitschaft in der Stadtentwicklung steht im Zentrum der neuen Veröffentlichung von Sabine Gruber. Die Autorin und Leiterin des Lokale Agenda 21-Büros am Alsergrund in Wien geht davon aus, dass Stadtentwicklung auf einer möglichst breiten Basis stehen muss, um nachhaltig wirken zu können. Keine leichte Aufgabe – divergieren doch bekanntermaßen die Interessen der Akteurlnnen aus Zivilgesellschaft, Staat und Markt oftmals erheblich. In zunehmendem Maß sind es intermediäre Organisationen, die an solchen Schnittstellen eine wichtige (kommunikative) Rolle einnehmen. Gruber analysiert hier die Möglichkeitsräume für individuelles und kolIektives Lernen und richtet ihren Blick auf das Städtische als wichtigen Ort des Politischen. Als politischen Realitäts-Check führt die Autorin den Malstab demokratischer Entscheidungsstile ein und verweist damit auch auf Entwicklungsgrenzen der Stadtentwicklung, welche sie auf grundlegende Strukturprobleme gegenwärtiger Stadtgesellschaften zurückführt.
Diese Grenzen könnten – so die Hypothese – überwunden werden, indem Stadtentwicklung konsequent als eine Summe von Lernprozessen verstanden wird, in denen sich alle Akteurlnnen im Sinne einer Demokratieentwicklung weiterentwickeln und annähern müssen. Im Unterschied zu pädagogisch inspirierten Theorien wie jener der Urbanen Bildung (siehe: Beck, Johannes u.a. (Hg.) (2005): StadtRandNotizen, Bd. 2. Urbane Bildung. Bremen: Edition Temmen.) (Fokus auf Bedingungen, wonach die Menschen die Stadt bilden und die Stadt die Menschen bildet) liegt der Akzent in Grubers Forschungsansatz bei der Betrachtung potenzieller Organisationsformen der Stadtentwicklung. Analysiert wird in erster Linie das Grätzelmanagement in Wien. „Ziel ist es, die Entscheidungsabläufe und Settings zu beschreiben und Voraussetzungen und Verbesserungsvorschläge für gelingende Prozesse und kollektive Wissensgenerierung (organisationales Lernen) zu formulieren“. Aus problemzentrierten Interviews mit Expertlnnen aus den Teilsystemen Zivilgesellschaft, Staat und Markt sowie dem intermediären Bereich erzeugt Gruber ihre qualitative Datenbasis, wobei die Expertlnnen selbst in ihrem Handlungsfeld als AkteurInnen positioniert werden.
Aus einem induktiv-deduktiven Wechselspiel entlang einer Kategorienbildung extrahiert die Autorin schließlich drei Schwerpunkte: Motivation als Voraussetzung kooperativer Entwicklung. Entscheidungs- und Durchsetzungsstile als Rahmen demokratischer Entwicklung und (Praxis-)Lernen als Schlüssel für Entwicklung. Gruber gelingt es somit einem häufig anzutreffenden Vorurteil aus dem Weg zu gehen: keinE AkteurIn agiert neutral. Insofern versucht sie die im Feld aufgezeichneten (verschiedenen und durchaus widersprüchlichen) Motive aus der Perspektive des individuellen wie auch des gesellschaftlichen Nutzens zu verstehen. Mit eben dieser Kombination gelingt im Vergleich zum Interact-Handbuch Kooperative Stadtentwicklung (siehe: Institut für Städtebau und Wohnungswesen der Landeshauptstadt München (Hg.) (2005): Kooperative Stadtentwicklung: Das Interact Handbuch. Anders denken – Anders handeln. München.), welches sich wie Gruber mit neuen Formen von Urban Governance und dem Entwurf integrierter Stadtentwicklungsstrategien befasst, eine vertieftere Auseinandersetzung mit möglichen Organisationsformen und deren Demokratiegehalt.
Unberücksichtigt bleibt bei Grubers Forschungssetting die für Wien spezifische strukturelle Ausgangssituation der in vielen Bereichen der sozialen Stadtentwicklung maßgeblichen Rolle der klassischen, neuen und mobilen Gebietsbetreuungen. Vor dem Hintergrund der ökonomischen Vormachtstellung der Gebietsbetreuungen könnten etwa im Anschluss an Grubers Versuch einer wissenschaftlichen Differenzierung von Entscheidungs- und Durchsetzungsstilen neue aufschlussreiche Fragestellungen entlang systematischer Vergleiche verschiedener (intermediärer) Organisationen innerhalb der sozialen Stadtentwicklung erarbeitet werden.
Mit der nun als Publikation vorliegenden Abschlussarbeit hat die Kulturwissenschaftlerin den Masterstudiengang Gemeinwesenentwicklung, Quartiersmanagement und Lokale Ökonomie an der Fachhochschule München absolviert. Eine interessante Bildungsvariante auch in Hinblick auf die professionelle Verbindung von sozialer Arbeit und Raumplanung in der Stadtentwicklung. Eine aufschlussreiche und vor allem den ökonomischen und sozialen Aspekten des Begriffs Nachhaltigkeit (siehe das Interact-Handbuch, a.a.O.) geschuldete Publikation, die zum aktiven Weiterdenken und Weiterlernen anregt.